Auch in der Luftfahrt gilt: Sicherheitsabstand ist in letzter Konsequenz das wirksamste Mittel, um Zusammenstöße zu vermeiden. In der EU wurden durch die neuen Drohnenregeln verschiedene Sicherheitsabstände für UAVs definiert, die jeder Drohnenpilot kennen sollte. Wir geben euch einen Überblick
Was im Auto gilt, gilt auch in der Luft: Taucht plötzlich ein Hindernis auf oder verhält sich ein anderer Verkehrsteilnehmer anders als erwartet, ist es einzig und allein der Sicherheitsabstand in Verbindung mit einem Abbremsen, der Schlimmeres verhindern kann. Soweit so klar.
Für Drohnenpiloten definiert die EU seit dem Inkrafttreten der harmonisierten EU-Drohnenregeln in diesem Kontext jedoch verschiedenste Abstände und Distanzen, die in unterschiedlichen Situationen beachtet und eingehalten werden müssen. In diesem Artikel versuchen wir euch kompakt eine Übersicht über diesen kritischen Sicherheitsaspekt des Drohnenfluges zu verschaffen.
Inhalt
Sicherheitsabstand ist nicht gleich Sicherheitsabstand
Disclaimer: Dies ist keine Rechtsberatung. Bei Unklarheiten sollte in jedem Fall direkt die EASA, die zuständige Luftfahrtaufsichtsbehörde oder ein Fachanwalt konsultiert werden. Wir übernehmen ausdrücklich keine Haftung und Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen. Die Recherche erfolgte nach besten Wissen und Gewissen. Die Verwendung der Informationen geschieht ausdrücklich auf eigene Gefahr.
Da die EU mit den neuen Regelungen (seit 2021 gültig) einen vollständig risikobasierten Ansatz gewählt hat, muss es logischerweise auch unterschiedliche Abstandsregelungen geben, die sich an verschiedene Risikoprofile anlehnen. Oder anders gesagt: Höhere Risiken verlangen größere Abstände als Flugmissionen mit geringerem Risikoprofil.
Wir fokussieren uns in diesem Artikel auf die Abstandswerte und Abstandsarten, die durch Betriebskategorien OFFEN (OPEN) und die drei Unterkategorien A1, A2 und A3 definiert werden. Das dürften die Kategorien sein, in der nahezu alle UAV-Piloten derzeit unterwegs sind.
Hinweis: In der SPEZIFISCHEN Kategorie können im Kontext von sogenannten Standardszenarien (STS) andere Abstände gelten.
Außerdem ist zu unterscheiden, zu welchem „Gegenspieler“ der Abstand eingehalten werden muss. Ihr müsst euch also zwei Dinge merken: Wie groß ist der einzuhaltende Sicherheitsabstand und auf welches Objekt bezieht er sich.
Fest definierte Abstände
Die einfachste Art von Abständen sind die fest in der EU-Durchsetzungsverordnung EU 947/2019 definierten Werte. Diese sind auch am leichtesten zu merken und man hat sich hier glücklicherweise gut einprägsame Zahlen ausgesucht.
Hier einige wichtige Werte für horizontale Abstände zu Gegenständen und Personen:
OPEN A1:
- Keine festen Abstände definiert.
OPEN A2:
- Abstand zu unbeteiligten Personen: 30 m
- Abstand zu unbeteiligten Personen im „Langsamflugmodus“: 5 m
Wichtig: Die 1:1-Regel gilt in OPEN A2 zusätzlich – ohne Ausnahme!
OPEN A3:
- Abstand zu unbeteiligten Personen: 30 m (weitere Bedingungen sind zu beachten -> dazu lest ihr unten mehr.)
- Abstand zu Wohngebieten, Industriegebieten, Naherholungsgebieten & Gewerbegebieten: 150 m
Wichtig: Die 1:1-Regel / 2xVmax-Regel gilt in OPEN A3 zusätzlich – ohne Ausnahme!
Situationsabhängige Abstände
Einige Sicherheitsabstände werden im Gesetz jedoch nicht als absolute Zahl definiert, sondern ergeben sich aus der jeweiligen Situation. Man könnte auch sagen: Der Gesetzgeber gibt die Formel vor und ihr müsst die jeweils passenden Werte einsetzen, um auf den gültigen Sicherheitsabstand zu kommen. Das erfordert ein klein wenig Rechnerei. Daher ist eine gute Flugvorbereitung unter Beachtung der Bedingungen am Flugort auch so wichtig.
Was ist die 1:1-Regel?
Häufig wird im Zusammenhang mit horizontalen Sicherheitsabständen auch die 1:1-Regel (gesprochen Eins-zu-Eins-Regel) genannt. Diese setzt die aktuelle Flughöhe (AGL) mit dem Abstand zu unbeteiligten Personen in Beziehung.
Das Ganze ist dabei einfacher, als es zunächst aussieht: Man darf mit der Drohne maximal so nah an eine unbeteiligte Person heranfliegen, wie die Drohne hochfliegt.
Ein Beispiel: Fliegt die Drohne 50 m hoch, muss ein Sicherheitsabstand von mindestens 50 m eingehalten werden. Fliegt sich 120 m hoch, müssen horizontal ebenfalls 120 m Abstand eingehalten werden.
Stellt sich die Frage: Was haben Höhe und Abstand miteinander zu tun? Das ist relativ leicht erklärbar, wenn man sich die einer Analogie aus dem Straßenverkehr bedient. Auch im Auto gilt: Je länger der Bremsweg, desto größer muss der Sicherheitsabstand sein.
Auch in der Luft geht man davon aus, dass eine Drohne im Fehlerfall nicht nur auf der Stelle schwebt und dann genau an diesem Punkt wie ein Stein zu Boden fällt. Stattdessen ist die Grundannahme, dass sich die Drohne im schlechtesten Fall mit einer bestimmten Geschwindigkeit genau auf eine unbeteiligte Person zubewegt.
Fällt jetzt beispielsweise ein Motor aus, stürzt die Drohne zwar ab, sie legt dabei aber durch ihre Flugrichtung weiterhin eine Vorwärtsbewegung in Richtung der Person hin. Die Absturzflugbahn folgt dabei präzise ausgedrückt einer Parabel. Genau lässt sich diese mit der Formel für den „schiefen Wurf“ bestimmen. Das führt an dieser Stelle aber zu weit – damit wollen wir niemanden langweilgen.
Wichtig ist aber zu verstehen, dass die Drohne in einem solchen Fall bei Einhaltung der 1:1-Regel stets an einem Punkt den Boden berührt, der sich VOR der Person befindet und die Person selbst somit niemals erreicht (grüner Bereich).
Wird der durch die 1:1-Regel vorgegeben Abstand hingegen unterschritten (roter Bereich), so rutscht die Person in den Bereich am Boden, der von dem abstürzenden UAV erreicht werden kann und setzt die Person der Gefahr eines direkten Treffers aus.
Die Untergrenze (gelber Bereich) dieser 1:1-Regel ist dabei aber nicht so variabel, wie es zunächst klingen mag. Dafür sind dann wieder die (teilweise schon oben genannten) Mindestabstände fest definiert.
Schauen wir uns zunächst noch einen zweiten „Sonderfall“ an und fassen dann zusammen.
Sicherheitsabstand auf Basis der Geschwindigkeit
Ein weiterer Sicherheitsabstand ergibt sich aus der einfachen Formel 2 * Vmax (in Metern). Dieser Abstand basiert damit also auf der Höchstgeschwindigkeit der Drohne. Im Normalfall findet sich dieser Wert im Benutzerhandbuch. Im Zweifel ist hier immer der höchste Wert anzusetzen.
Ein kleines Beispiel: Eine Drohne mit einer Höchstgeschwindigkeit (Vmax) von 19 m/s müsste demnach einen Mindestabstand von 38 m einhalten (2 * 19 = 38). Diesen Wert zu ermitteln, ist also einfach.
Zusätzlich gibt es dann eine Abstandsangabe, die für den sogenannten „Low Speed“-Modus (Langsamflugmodus) gelten. Das sind wiederum fest definierte Abstandswerte, die an eine Höchstgeschwindigkeit von 3 m/s gekoppelt sind. Diese dürfen aber nicht mit der 2 * Vmax-Regel verwechselt werden.
Wie passt das jetzt alles zusammen?
Jetzt wissen wir bereits: Es gibt fest definierte Abstände, variable Abstände auf Basis der Flughöhe und Abstände, die auf der Höchstgeschwindigkeit basieren. Bleibt am Ende noch die Frage: Welcher Sicherheitsabstand gilt für wen in welcher Situation?
Nutzen wir als grobe Orientierung wieder die Unterkategorien der OFFENEN-Betriebskategorie:
OPEN A1:
- Hier gibt es weder feste noch variable Abstände, die zu unbeteiligten Personen eingehalten werden müssen.
- Für C1-Drohnen gilt jedoch, dass der Überflug von unbeteiligten Personen vermieden werden soll und wenn dieser nicht vermeidbar ist, auf eine minimale Dauer beschränkt werden muss.
OPEN A2:
- Der Mindestabstand zu unbeteiligten Personen beträgt immer 30 m.
- Solltet ihr dabei höher als 30 m (AGL) fliegen, greift die 1:1-Regel und der Sicherheitsabstand muss entsprechend der Flughöhe angepasst werden.
- Ein Sonderfall gilt für Drohnen mit aktiviertem „Low Speed Modus“, der die maximale Geschwindigkeit auf 3 m/s begrenzt. In diesem Fall ist eine Annäherung unter Einhaltung der 1:1-Regel auf bis zu 5 m erlaubt.
- Ein Überfliegen unbeteiligter Personen ist damit zu keinem Zeitpunkt möglich.
OPEN A3:
- Der Sicherheitsabstand zu bestimmten Gebieten (siehe oben) beträgt immer 150 m.
- Der Sicherheitsabstand zu unbeteiligten Personen muss jedoch separat bestimmt werden. Hier gilt immer der größte Wert aus den folgenden Optionen als einzuhaltender Abstand:
- 2 * Vmax
- 1:1-Regeln
- 30 m
- Ein Überfliegen unbeteiligter Personen ist damit zu keinem Zeitpunkt möglich.
Sicherheitsabstand richtig schätzen: Ein paar Tipps
Am Ende ist jeder Drohnenpilot dafür verantwortlich, dass die jeweiligen Abstände eingehalten und keine anderen Menschen oder Tiere gefährdet werden.
Doch wie genau, weiß man jetzt, wie groß Entfernungen sind? Am Ende hilft dabei nur Schätzen und vor allem richtig Schätzen zu lernen.
Wir sind als Menschen häufig gar nicht so schlecht darin, Entfernungen einzuschätzen, wenn wir uns darin ein wenig üben. Es gibt einige Tricks, die als Basis seiner Schätzungen verwenden kann.
Die besten Erfahrungen haben wir häufig damit gemacht, Referenzen zu nutzen. Am einfachsten fällt es uns, wenn wir Entfernungen als Vielfaches oder im Verhältnis zu Objekten einschätzen, deren Größe wir kennen.
Das kann beispielsweise eine Reihe von Einfamilienhäusern sein, deren Größe (Länge oder Breite) wir grob mit 7 – 12 m annehmen. Passen nun circa 5 Häuser zwischen unsere Drohne und die unbeteiligte Person, können wir davon ableiten, dass die Entfernung irgendwo zwischen 35 und 60 m liegen wird.
Häufig reicht eine so „grobe Hausnummer“ bereits aus, um seinen Sicherheitsabstand richtig zu wählen. Am Ende gilt nämlich auch in der Luft, das gleich, was auf der Autobahn gilt: Besser ein wenig mehr Abstand halten, als zu wenig.
Tipp: Die 1:1-Regel einzuhalten, ist dabei eigentlich ganz einfach. Solange ihr von einem Punkt am Boden mit einem Winkel von weniger als 45° Steigung mit eurer Drohne aufsteigt / davonfliegt, befindet ihr euch im grünen Bereich. Die 45°-Diagonale trennt nämlich den „grünen“ vom „roten“ Bereich. Schaut euch dazu auch noch einmal das Schaubild oben genauer an.
Am Ende solltet ihr aus diesem Artikel mitnehmen, dass ihr euch mit den unterschiedlichen Sicherheitsabständen am einfachsten auf Basis der Betriebskategorie vertraut macht, in der ihr mit eurer Drohne unterwegs seid. Außerdem kann man wohl nicht häufig genug betonen, wie wichtig der richtige Abstand zu unbeteiligten Personen ist. Das gilt ganz besonders beim Start und der Landung, um niemanden unnötig zu gefährden.
Schlusswort
Wir hoffen, euch hat dieser kompakte Artikel einen Überblick darüber gegeben, welche verschiedenen Sicherheitsabstände ihr als Drohnenpiloten in der EU kennen sollten und wie sich diese mitunter berechnen lassen.
Sollte dies der Fall sein, freuen wir uns darüber, wenn du den Artikel teilst. Bei Fragen oder Anregungen hinterlasse gerne jederzeit einen Kommentar. Auch freuen wir uns darüber, wenn du für den Kauf einer neuen Drohne einen unserer Partnerlinks verwendest (mit * gekennzeichnet), so erhalten wir eine kleine Provision.
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Schön und gut, aber ich weiß hier von 2 Drohnenpiloten aus der Nähe, die es gibt. Der eine ist unbelehrbar und kennt Regeln nur halb und will auch nicht mehr kennen, fliegt über Autobahnen, Gewässer und Naturschutzgebiete und stellt das alles online. Der andere flog beim Vollsfest mit einer alten Mavic 1 oder jedenfalls größeren DJI als die Minis 2-3m über der Menge in der Dunkelheit, dann auch mal Vollgas nach oben in die Stadt. Tatsächlich habe ich überlegt die Polizei zu rufen, denn ich will weder so ein Ding auf dem Kopf haben noch dort gefilmt werden. Schlussendlich sind wir beim Gehen dann über den Piloten gestolpert, der komplett Abseits stand und völlig auf Kamerasicht flog. Nett angesprochen meinte er, er fliegt erst seit 2 Wochen und wollte mal Nachtflug ausprobieren. Natürlich, mitten über Menschen. Den Moves nach flog er schon länger. Die Drohne sah auch gebrauchter aus. Ob wirklich planlos oder dreist und Lügner kann ich nicht sagen, aber warum lesen die einen unendlich darüber was man wie darf und die anderen kommen mit sowas durch?